Tag 32 (22.06.2016): Saltstraumen – Die Strudelinspektion
Wie fast immer ist der Parkplatz um uns herum schon nahezu leergefegt, als wir frühstücken. Umso besser, denn jetzt sieht man endlich die Landschaft und nicht mehr nur Wohnmobile. Wieder einmal sieht es gänzlich unwirklich aus: es ist kahl und ohne Bäume und der Schnee vermittelt noch mehr den Eindruck von Mondlandschaft.
Relativ flott geht es über die fast schnurgerade Straße der Hochebene. Über die knapp 60 km lange Strecke bis Drageid, wo wir abbiegen, bauen wir kaum wahrnehmbar fast 1.000 Höhenmeter ab. Unser Weg führt mal wieder über eine „sekundäre Nebenstraße“ in Richtung Saltstraumen. Die dortige Besonderheit habe ich mir gewünscht anzuschauen: den weltweit stärksten Gezeitenstrom. Während einsetzendem Niedrigwasser (Ebbe) beginnt sich das Meerwasser zurückzuziehen. Davon ist auch der Fjord betroffen und so läuft ebenfalls das Meerwasser aus diesem heraus ab. Beim Saltstraumen liegen blöderweise ein paar „kleine“ Felsen im 2,5 km langen Ausguss des Fjordes und verengen diesen auf bis zu 150 m. Deshalb kann das Wasser nicht klammheimlich dort hindurch, sondern muss ordentlich auf die Tube drücken. Mit einem Gezeitenwechsel rauschen so etwa 400.000.000.000 Liter Wasser mit einer Geschwindigkeit von bis zu 40 km/h in knappen sechs Stunden durch die Engstelle hindurch. Dann ist einen Moment Ruhe, um dass kurz darauf erneut 400 Millionen Kubikmeter in die andere Richtung zurücklaufen, bis im Fjord dann auch endlich für einen kurzen Moment Flut ist. Wie es weitergeht, ist wohl jedem klar. Klingt komisch, ist aber so!
Alles in allem entstehen so im Strom in der Engstelle (dem „Saltstraumen“) einzigartige Strudel mit bis zu 10 Metern Durchmesser und 4 Metern Tiefe.
Doch bis dorthin müssen wir uns noch vorkämpfen. Während Nordnorwegens Flora recht freundlich abseits des Weges bleibt, macht Fauna was sie will. Erst stehen reihenweise Schafe auf der ohnehin schon schmalen Straße, dann ein Rentier daneben um dass ein kreuzender Elch die ganze Sache abrundet. Natürlich haben wir – wie immer NICHT die Kamera rechtzeitig am Start und so gibt es auch von diesem Elch kein Foto…
Wir kommen gegen 16:00 Uhr auf dem Campingplatz in Saltstraumen (der Ort heißt wie der Strom) an, heute ist auch auch noch Waschtag.
An der Rezeption erhält Annika direkt eine Art „invertierte“ Gezeitentabelle, denn die Strudel unter der Brücke sind genau bei Halbzeit zwischen Ebbe und Flut bzw. andersherum am Stärksten und imposantesten. Das ist heute um 19:25 Uhr zum nächsten Mal der Fall und bis dahin vertreiben wir uns die Zeit, denn die Waschmaschinen sind ebenfalls belegt.
Um kurz vor 19:00 Uhr machen wir uns auf zur „Strudelsafari“. Es ist einsetzende Ebbe, demnach strömt das Wasser aus dem Saltfjord ins Meer zurück. Wir laufen zunächst auf die Brücke hinauf und blicken von oben in den Strom. Das dargebotene Bild ist einfach unglaublich: es sieht aus wie ein riesiger Topf voll grell blauem Nudelwasser, das gerade munter am Kochen ist oder aber wie ein gänzlich überdimensionierter Whirlpool.
Wir genießen eine Weile den Anblick, bis wir uns entscheiden, noch einmal unsere Position zu wechseln und laufen deshalb die Brücke wieder hinunter und unter der Brücke bis ans Ufer. Wir stehen nun quasi am Rand des Kochtopfes und auch die Klangkulisse erinnert stark daran: es rauscht und blubbert in einer ohrenbetäubenden Lautstärke. Es ist unbeschreiblich und einmalig schön. Nach und nach lichtet sich sogar noch einmal der Hochnebel und gibt stetig mehr Details der im Süden liegenden und noch verschneiten Gipfelkette frei.
Um 20:45 Uhr werden die Strudel schwächer und unser Hunger stärker, also kehren wir zu Oscar zurück. Meinen feisten Plan, noch einmal nachts um halb zwei zur Strudelinspektion zurück zu kommen muss ich leider abändern: die Strudelinspektion findet in der Waschküche des Campingplatzes statt und dort schaue ich unserer nassen Wäsche zu, wie sie durch den Trockner wirbelt. Das dauert leider recht lange, da er nicht richtig funktioniert und das Trockenprogramm alle 20 Minuten neu gestartet werden muss. Schade eigentlich, aber den Berg nasse Klamotten bekommen wir ohne die Maschine nicht getrocknet.